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Gruppen(-Abenteuer-)reisen

Mit einem gratis Infoabend des Reisebüros über Mittelamerika und Reisetipps von Einheimischen Guides begann meine Reise nach Costa Rica, eine Gruppenreise. Völlig vergessen waren die Klassenfahrten, die Ausflüge von Sprachschulen und die Uni-Exkursionen, wo man als Touristengruppe einen vorgefertigten Blick zur Verfügung gestellt bekam, nicht eigenständig entscheiden konnte und zwischen den Sehenswürdigkeiten kaum Zeit zum Luftholen hatte. Die Möglichkeit beim Costa Rica Adventure-Trip in zwei Wochen viel vom Land zu sehen und dabei Teil einer unkomplizierten, internationalen Studentengruppen zu sein erschien mir dagegen ideal.

Costa RicaBeim Lesen der genauen Reisebeschreibung wurde es mir allerdings mulmig. Ich soll also mehre Kilometer Radfahren, im Kajak paddeln, raften, auf einem Naturpfad wandern, mich beim Canyoning durch Felsspalten quetschen, auf der Zipline durchs Tal rasen und Segeln – und das alles in Funktionskleidung! Das Training im Fitnessstudio wurde sogleich intensiviert, denn ich fürchtete mich vor den muskelbepackten Abenteurern und den sportlich schlanken Hobby-Marathon-Läuferinnen in der Gruppe. Deswegen war meine erste Reaktion bei der Ankunft in San José Erleichterung, denn die meisten der 20 bis 30-jährigen Gruppenmitglieder sahen kaum sportlicher aus als ich. Die Gruppe setzte sich aus vier allein reisenden Single-Mädels aus den USA, Großbritannien und der Schweiz, zwei Pärchen aus Großbritannien und einer Großfamilie aus Kansas zusammen. Unser Guide war ein quirrliger 26-jähriger aus Monteverde, der uns neben purem Abenteuer auch Einblicke in das Leben der Costa Ricaner versprach.

Am nächsten Morgen starteten wir zum Rafting im Pacuare River. Sicher ausgestattet fuhren wir in den Booten mitten im Dschungel den Fluss runter und riefen nach jeder Stromschnelle „Pura vida“, immer darauf bedacht nicht vom Boot zu fallen – was natürlich trotzdem passierte, aber weit weniger schlimm war als im Kopfkino.
DSC_0096.JPGSchließlich entdeckten wir mitten im Dschungel die Lodges in denen wir übernachten sollten. Meine Erwartungen schilderte ich bereits in einem Beitrag letztes Jahr, doch statt Camping, gab es heißes Wasser und geräumige Zimmer mit Aussicht auf den Fluss, umgeben vom Grün des Dschungels. Nach einem gemütlichen Abendessen wurde auch die Gruppe lockerer. Man erzählte von früheren Reisen, tauschte Klischees über das jeweilige Herkunftsland aus und die Single Mädels flirteten mit den Guides.

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Am nächsten Tag unternahmen wir eine vierstündige Wanderung zu einer Indianer-Siedlung. Es regnete, war matschig, der Weg war steil, die Wanderschuhe waren im „Dayback“ nicht eingeplant und so trug ich meine neuen Nike, die trotz meinem Gehopse von Stein zu Stein schon nach kurzer Zeit voller Matsch waren und beim jedem Schritt „schmatzten“. Ich schwitzte, schnaufte, war komplett durchnässt, voller Schlamm und versuchte keine Bäume mit Stacheln anzufassen (was bei der Rutschpartie nicht so einfach war). Rund um uns war der Dschungel mit zahlreichen krabbelnden Spinnen, Ameisen und sonstigem Getier.

Auf dem Plateau empfingen uns Cabécar Indianer, schüchtern lächelnd, mit selbstgemachtem Bananenschnapps. Noch schnell ein Gruppenfoto und wir rutschten im Matsch wieder abwärts.

IMG_0779.JPGIMG_0800.JPGNun trennten sich die Sportlichen von den Sandalen-Trägern und prompt bogen zwei Mädchen in der Mitte des Zugs falsch ab und verloren sich im Dschungel. Die einheimischen Indianer (die übrigens Gummistiefel trugen) fanden die ängstlich Rufenden und brachten sie zu der Gruppe zurück. Alles easy, Pura vida!

Zur nächsten Etappe, der „speziellen Dschungeloase“ im Sarapiquí Regenwald, fuhren wir mit einem Traktor. Die Herberge erinnerte an ein Schullandheim und das Programm war entsprechend langweilig. Kartenspiele, Nachtwanderungen (im Regen, aber wenigstens mit Gummistiefeln), Vögel beobachten (im Regen, daher auch keine Vögel), schwimmen im Fluss (im Regen), Salsa-Kurs und selbstgemachte Empanadas. Die Schullandheim-Atmosphäre führte dazu, dass wir uns als Gruppe näher kennenlernten. Zwar hatte ich noch mit keinem Costa Ricaner gesprochen, doch wusste ich inzwischen, wie man als Sozialarbeiterin in Genf, als Optiker in Wales und als Hausfrau in Kansas lebte.
IMG_0993.jpg10455125_10153184557035016_6914880129638134598_nNach zwei Tagen Entspannen sollte es in La Fortuna sportlich weitergehen. Im Schatten des Arenal Vulkans fuhren wir mit Fahrrädern durch die Dörfer, versuchten Stand-Up-Paddeling und Kajak fahren. Wir wurden abgeholt, in Restaurants gefahren, die wir nicht selber aussuchten, aber selber bezahlen mussten, wir wurden eingeteilt, verplant, mitgezogen. Gespräche mit der lokalen Bevölkerung entstanden nie, ein genaues Hinsehen war aus Zeitgründen nicht möglich und die Fotomotive waren bei allen Gruppenmitgliedern dieselben.

10577076_10100595050785864_3414689179625613596_n.jpgIMG_1167.JPGIMG_1648.JPG10514473_10154543046695019_3641331385436441917_nBeim Bungeespringen in Monteverde durfte ich natürlich nicht fehlen! Die Gruppendynamik machte mir das Nein-sagen unmöglich, außerdem konnte ich mein neues locker, sportliches Ich nicht enttäuschen und so stürzte ich mich 140 m von einer an Seilen festgemachten Kabine in die Tiefe. Mein Juhuuuu klingt auf dem Video eher nach einem AHHHHH, was von der Gruppe ausführlich kommentiert wird.

In Manuel Antonio, im Westen Costa Ricas, waren wir schließlich am Ende unserer Tour angekommen. Die Gruppe war inzwischen eng zusammengewachsen. Man schwor sich gegenseitige Besuche und freundete sich auf Facebook an, wo eifrig die ersten Fotos getauscht und geliked wurden. Heute habe ich dreizehn Freunde mehr, deren Facebook-Alltag ich verfolge und die mir auf fast allen meinen Urlaubsfotos aus Costa Rica entgegen lächeln. Insgesamt war es angenehm keine Hotels reservieren zu müssen und einfach in den Bus zu steigen ohne langes Suchen und Warten. Wir haben viel gesehen, doch blieb auch wenig Zeit zum Verschnaufen, zum Erleben der Natur, des Landes und dessen Kultur. Ich würde diese Reisen allein Reisenden empfehlen, die sich gerne in der Gruppe bewegen oder solchen, die in wenigen Tagen viel erleben wollen ohne alles selbst zu planen. Billiger, als wenn wir die Reise selbst finanziert hätten, war der Trip insgesamt nicht.

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