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Archivreisen

Die Arbeit in einem historischen Archiv ist hauptsächlich ein Suchen und Entdecken. Ich hatte das Glück in zwei sehr spannenden Städten nach Dokumenten und Fotografien suchen, die ich nicht in den Büchern in Wien finden konnte. Den ganzen Tag über durchforstete ich die langen Listen der Bestände, blätterte in vergilbten Papier und hatte die ganze Zeit über Angst etwas zu übersehen, während ich stundenlang alles fotografiert habe, was  relevant sein könnte. Deswegen muss ich leider gestehen, dass ich weder in Rom noch in Athen das eine kleine geheime Café, den versteckten Club oder den perfekten Aussichtsplatz gefunden habe. Doch die  Archive selbst beherbergen Geschichte, manchmal sind die Gebäude selbst historisch interessant.

Das Archivio Centrale dello Stato, das zentrale Archiv Italiens, ist ein riesiges Gebäude im Süden von Rom. Zu finden gibt es darin Dokumente der Ämter und Ministerien, die Archive des Staatspräsidenten und Ministerpräsidenten, sowie zahlreiche Provinzarchive. Ursprünglich gegründet wurde das Archiv 1875, also nur vier Jahre nachdem Rom zur Hauptstadt des neuen Königreichs erklärt wurde. Der Stadtteil EUR in dem sich das ACS befindet wurde unter dem faschistischen Regime geplant und gebaut. Die Weltausstellung (EUR, Esposizione Universale di Roma) von 1942 sollte dort stattfinden, sie wurde jedoch aufgrund des Krieges verschoben. Nachdem die Gebäude zunächst leer standen wurden sie in den 1950er-Jahren renoviert. 1960 zog schließlich das ACS in das Gebäude, welches von Mario de Renzi und Gino Pollini entworfen wurde. Das Spazieren an den faschistischen Monumentalbauten vorbei, verdeutlicht die Nähe der historischen Vergangenheit in der Gegenwart Roms.

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Ähnlich empfand ich beim Besuch des Archiv des italienischen Außenministeriums. Es befindet sich im ursprünglich für den Sitz der Parteizentrale der faschistischen Partei geplanten Palazzo del Littorio direkt neben dem Foro Italico (ehem. Foro Mussolini). Der ganze Komplex entstand zwischen 1932 und 1938. Auf dem Weg ins Archiv ging ich jeden Morgen an dem Obelisk mit der Inschrift Mussolini Dux, und den Statuen der nackten Sportler vorbei. Obwohl nach dem Fall Mussolinis zahlreiche Symbole entfernt wurde, überlebten der Obelisk und die Statuen bis in die Gegenwart.

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Bild des italienischen Außenministeriums von Katharina Ebner

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Die Archive in Athen sind im Vergleich zunächst nicht wirklich spannend. Das Αrchiv des Außenministeriums (Ελληνικό Υπουργείο Εξωτερικών, Διπλωματικό και Ιστορικό Αρχείο) ist in einem kleinen Nebengebäude hinter dem Außenministerium und mit nur acht Plätzen für Forscher ausgestattet.
Das griechische Staatsarchiv (Γενικά Αρχεία του Κράτους) im Stadtteil Psychiko wurde erst 2003 errichtet (die Pläne gab es seit 1978). Bis heute werden noch Bestände aus den früheren verstreuten Archiven in das Hauptgebäude gebracht. Aufgrund der Menge an Beständen, die dort untergebracht sind, ist das Archiv ein angenehmer Arbeitsplatz und die große Glasfront lädt immer wieder zu einem Blick über den Athener Außenbezirk ein.

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Die Mode Staatsarchive besonders modern und als Kubus zu gestalten wurde auch in Portugal im Torre do Tomba Staatsarchiv umgesetzt (Grundsteinlegung 1985). Viel spannender erscheint der Name des Archivs. Denn das Archiv war ab dem 14. Jahrhundert im Castelo de São Jorge untergebracht. Das ruft Bilder von Der Name der Rose hervor und ich sehe mich prompt in einem alten, kalten Turm sitzend, umgeben von Papierbergen.

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Bild des Torre do Tombo von Kathrin Raminger

Am liebsten mag ich das Archiv des Parlaments (Αρχείο της Βουλής) in Athen (und das nicht nur wegen den Öffnungszeiten). Dort findet man hauptsächlich das Pressearchiv, aber auch eine Bibliothek. Das Archiv befindet sich in einer alten Tabakfabrik. Das Gebäude von 1927 wurde bunt angemalt und renoviert, doch der Innenhof erinnert noch an die alte Fabrik, insbesondere wenn der Regen durch das Dach plätschert.

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Ich danke an dieser Stelle meinen Kolleginnen aus dem IK Katharina Ebner und Kathrin Raminger. Kathrin forscht in Spanien und Portugal zu Kunstausstellungen im Salazarismus und Franquismus. Katharina untersucht den Ideologietransfer des italienischen Faschismus nach Österreich und Ungarn und die Rolle der katholischen Kirche dabei. Sie hatte übrigens auch Zutritt zu den geheimnisvollen Vatikanischen Archiven, die leider keine Ähnlichkeit haben mit den Vorstellungen von Dan Brown.

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